Samstag, 11. Dezember 2010

Eine Hochzeit und ein Todesfall



oder „ein Besuch in Mangalore“

Eine etwas makabre Blogüberschrift – aber dennoch sehr passend.
Es ist nun schon über eine Woche her, dass wir von unserem Interprojectvisit in Mangalore bei der NGO Maithri zurück sind. Wir hatten dort eine tolle Zeit mit unseren „volunteer Koleginnen“ Leah und Feli.
Leider begann der Projectvisit mit einem traurigen Ereignis. Alles fing mit einem Klopfen an unserer Zimmertür an; *bumm bumm bumm* „Miss, miss Mickey.. little little bit dead!“. Zu diesem Zeitpunkt fanden wir das (in erster Linie wegen der Formulierung) noch total lustig… dazu muss man wissen, dass die Kinder schon öfter geklopft hatten und uns vermeintliche Schreckensnachrichten über Mickeys Gesundheitszustand überbrachten. Diese hatten sich aber bis dato nie bewahrheitet…


en memoriam

Als dann aber das vierte vierte Kind aufgeregt in der Tür stand uns wir nicht mehr nur einen Schlafanzug anhatten beschlossen wir, nun doch lieber einmal nachzuschauen, was dort unten los ist. Dieses Mal hatte die Aufregung einen berechtigten Grund. Es erwartete uns ein Kreis aus Kindern, die auf den wirklich schon halbtoten Mickey starrten. Die Informationen darüber was genau passiert war waren sehr unterschiedlich. Mittlerweile wissen wir, dass die Kinder ihn aus seinem Häuschen gesetzt haben und der Milchmann wohl auf ihn eingeschlagen hat (es gibt doch einfach dumme Menschen auf der Welt!). Kurze Zeit später starb unser Kleiner dann. Die Kinder waren weit mehr über unsere Trauer schockiert, als über den Tod des Hundes. Letztendlich wissen wir, dass der Mickey für einen ehemaligen Straßenhund ein überdurchschnittlich schönes Hundeleben hatte und wir werden die Spaziergänge mit ihm sehr vermissen.
Lange Zeit zur Trauer blieb uns aber nicht, denn wir sollten in einem Mädchencollege noch kurz vor unserer Abfahrt einen Vortrag über das deutsche Schulsystem halten. Ausgerüstet mit Powerpoint-Präsentation, Laptop und Beamer warteten wir auf unseren Einsatz, um dann feststellen zu müssen, dass sich der Zeitplan verschoben hat und wir erst drei Stunden später als geplant dran kommen sollten. Tja das kollidierte dann aber mit unseren Busabfahrtzeiten. Also doch kein Vortrag, naja mittlerweile sind wir ja spontan ;-).
Die Fahrt nach Mangalore war ziemlich rumpelig, führte aber wie immer durch wunderschöne Landschaften.





Mangalore als Stadt hat uns schon direkt bei Ankunft beeindruckt. Das ist wirklich ein ganz anderes Indien, als wir es in den letzten drei Monaten hatten.
Am Busbahnhof wurden wir abgeholt und wir feierten unser Wiedersehen mit Leah und Feli, na wo wohl? Jaaa.. in Café Coffee Day. Übrigens gibt es da jetzt ein neues Weihnachtsspecial-Kaffee-Angebot. Es ist sehr seltsam eine Karte mit Schneehintergrund und geschmückten Tannenbäume bei gefühlten 40 Grad Außentemperatur in der Hand zu halten.




Mit dem seeeehr vollen Bus ging es dann in einen Vorort von Mangalore: Deralakatte, wo der Hauptsitz von Maithri Trust ist. Als wir dort ankamen waren alle Officemitarbeiter schon nach Hause gegangen. Für uns war es eine ganz neue Erfahrung abends alleine zu sein, das ist nämlich genau der Tagesabschnitt wo es im Hostel hoch hergeht. Leah und Feli haben dann praktisch das Haus für sich alleine inklusive Küche, von der wir in der Woche des Öfteren Gebrauch gemacht haben.









auf dem Weg zur Kindergruppe






Kindergruppe, die Leah und Feli jeden Samstag betreuen


In erster Linie sollten wir den Volunteersalltag der Maithri Mädels kennen lernen. Sie unterrichten drei Gruppen von jungen Frauen (16-25 Jahre alt) in „Spoken English“. Nachdem sie sich mühsam durch die Grammatik der Englischen Sprache gekämpft hatten, hatten sie sich nun dazu entschieden ihren Schülerinnen mehr über Europa zu erzählen. Dazu benutzen sie, wie wir fanden, tolle Materialien und gestalteten einen sehr anschaulichen Unterricht. Eigentlich war dann auch geplant, dass die Mädels uns über Deutschland ausfragen, allerdings waren alle doch sehr schüchtern und wir haben ihnen eigentlich mehr Fragen gestellt als sie uns. Von daher glauben wir, dass es für die Schülerinnen ein positiver Nebeneffekt ist zu sehen, dass Gleichaltrige junge Frauen so selbstbewusst auftreten können wie ihre Lehrerinnen Leah und Feli.
Das Unterrichtsgespräch kam immer wieder auf das Thema Hochzeiten. In Indien sind nach wie vor die meisten Ehen arrangiert. Das heißt, dass die Eltern oder andere Verwandte einen „passenden“ Partner für ihre Kinder auswählen und diese sich häufig erst nach der Hochzeit erst richtig kennen lernen. Außerdem ist es immer noch äußerst üblich nur innerhalb der eigenen Kaste zu heiraten. Was uns überrascht hat war, dass die jungen Frauen voll und ganz hinter diesem System stehen, keine einzige konnte sich eine so genannte „love marriage“ für sich vorstellen. Uns dabei bewusst wie prägend die kulturelle Umgebung für uns alle ist. Für uns ist es unvorstellbar, dass wir jemand heiraten, den wir vor der Hochzeit noch nicht mal wirklich kennen geschweige denn selbst ausgesucht zu haben. Das ist hier aber selbstverständlich und wird auch gar nicht in Frage gestellt. Wir sind hier einfach in einer ganz anderen Welt.

















Passend zu diesem Thema wurde uns ermöglicht auf die Hochzeit einer IT-Lehrerin von Maithri zu gehen. Von der Zeremonie bekamen wir nichts mit. Eigentlich sind wir nur hingegangen, haben gratuliert und dann wurde gegessen. Trotzdem war es interessant mal die Atmosphäre bei so einer Riesenveranstaltung mitzuerleben. Besonders aufgefallen ist uns, dass die Gäste getrennt gegessen haben; die Brahmanen (oberste Kaste) in der Festhalle und der Rest (sprich unter andrem wir) in einem Nebenraum.



auf zur Hochzeit (in Saris von Leah und Feli)














Natürlich stand auch klassisches Touri-Programm auf unserem Plan. Wir besuchten den Strand von Mangalore, sammelten unsere ersten indischen Muscheln, spazierten durch die Wellen und genossen die Sonne. A propos Sonne. Mittlerweile wissen wir das Wetter in unserem Hassan wirklich sehr zu schätzen (vergleichbar mit dem Wetter in Deutschland im Mai und Juni). In Mangalore ist es wirklich warm. Sehr warm. Geht man in Mangalore in eine Bank oder einen anderen klimatisierten Raum, kommt man sich kurz vor wie in einem Kühlschrank, es ist wirklich bitter kalt nämlich laut Anzeige auf der Klimaanlage 24 Grad. Ihr könnt euch nun denken wie heiß es draußen ist.






Superstaaaaar :-)










Anderer Programmpunkt war eine Shoppingtour durch Mangalore mit Kinobesuch. Das war dann wirklich das total Kontrastprogramm zum Citylife in Hassan. Bei einem indischen Kinobesuch kann man sogar zwischen drei verschiedenen Sorten Popcorn auswählen; salzig, Käse oder Karamell. Wobei letzteres eindeutig unser Favorit war, wer hätt’s gedacht. Aber probieren sollte man trotzdem mal alles, wann hat man denn die Chance Käsepopcorn zu essen?




nach getaner Shoppingtour hat sich unser Gepäck "etwas" vergrößert :-)

Ihr seht also, wir hatten wirklich eine sehr ereignisreiche Woche und es war einfach schön so viel Zeit mit Feli und Leah zu verbringen, sich auszutauschen und gemeinsam Spaß zu haben, ein Hoch auf Mädelsabende mit Gesichtsmaske, Kitschfilmen à la Jane Austen (neiiiin Feli und Leah wir erwähnen hier jetzt NICHT „Suuuuperstaar“) und selbst gekochten Spaghetti mit Tomatensoße und ganz viel Knoblauch. Danke für eine wunderschöne Woche, wir freuen uns schon euch an Weihnachten wieder zu sehen.



Felis die auf Ziegen starren







Henna












Schöne dritter Adventsgrüße an alle Daheimgebliebenen.
Eure
Anju & Juli



5 Kommentare:

  1. Hallo ihr ZWEI,
    ihr habt wirklich wieder mal einen echt schönen und interessanten Bericht geschrieben - echt klasse! Das mit eurem kleinen Mickey tut mit echt leid für euch und die Kinder - der war echt süß !
    Liebe Grüße aus dem kalten Deutschland und euch natürlich auch einen schönen dritten Advent !
    Heidi
    P.S. an Ute - ERSTER !!!

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  2. Wieder zurück in Deutschland darf ich mich über so klasse Blog-Einträge freuen. Ja, so ist das, Freud und Leid liegt in Indien so nah beieinander..
    Super auch Nikolaus und Zirkus, da sind wir schon gespannt, wann die Prachodana Zirkus schow kommt!?

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  3. Hey,

    ihr habt ja mal wieder so einiges erlebt und die Bilder vom Strand sind ja traumhaft!!!

    Ich stelle es mir unheimlich interesssant vor, sich mal mit gleichaltrigen Mädels aus einer vollkommen anderen Kultur auszutauschen. Kaum zu glauben, dass diese wirklich von einer arangierten Ehe überzeugt sind.

    Das mit Micky tut mir so leid... Manche Menschen kann man einfach nicht verstehen.

    Ganz liebe Grüße Steffi

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  4. Elisabeth Mamavonanna12. Dezember 2010 um 22:13

    Hallo Ihr zwei,
    ich freu mich, dass es Euch so gut geht und wünsch Euch viiiel Spaß beim gemeinsamen Weihnachtsfest!
    Liebe Grüße von
    Elisabethmamavonanna

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  5. Sehr schöner und interessanter Bericht. Er gefällt mir wirklich gut.

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