Freitag, 15. Oktober 2010

Forefathers Festival und Field Visit Kadnur



Nach einer relativ entspannten Woche, in der das Hostel ohne Kinder (die für die Ferien gerade zuhause sind) seltsam still war, melden wir uns zurück aus Hassan.
Die letzten Tage waren besonders geprägt durch eine Einladung zum so genannten Forefathers Festival von Monas Familie und einem ganztägigen Field Visit.


Die kleine Teju ist für jeden Spaß zu haben

Am 7.Oktober begann für uns das Forefathers Festival zuhause bei Mona mit Chapatti (eine Art Fladenbrot) backen und anschließendem gemütlichen Mittagessen auf dem Bett, auf dem wir uns mittlerweile schon sehr wohl fühlen; so wohl, dass wir sogar ein kleines Mittagsschläfchen anhängen konnten ;-). Anschließend fuhren wir mit der Riksha (ja, wir beweisen immer wieder indisches Stapeltalent… fünf Personen in eine Riksha) zum Haus von Monas Bruder, in einer besseren Wohngegend Hassans. Wir wurden dort sehr herzlich empfangen (wie wir das von Indern schon gewohnt sind) und standen natürlich wie ebenfalls gewohnt sofort im Mittelpunkt. Monas Nichte und Neffen hatten seit dem Morgen immer wieder auf ihrem Handy angerufen um zu fragen, wann die „foreigners“ endlich kommen. Die Kids waren sofort begeistert von den „German games“, die wir aus dem Hostel mitgebracht hatten und wir haben es genossen mal mit weniger als zehn Kindern gleichzeitig zu spielen.

Playtime die Erste

Wieder einmal waren wir begeistert von den Englischfähigkeiten der Kinder die eine English Medium school besuchen, das sind meist Privatschulen, auf denen der gesamte Unterricht in Englisch statt Kannada gehalten wird. So verbrachten wir einen relativ ruhigen Nachmittag alleine mit den Kindern bei dem wir in den mittlerweile ungewohnten Genuss von englischsprachigem Fernsehprogramm und Kaffee gekommen sind. Uns sollte dann bald vor Augen geführt werden, womit sich die Erwachsenen in der Zwischenzeit beschäftigt hatten; ESSEN, Essen und mehr Essen vorbereiten.



Monas Schwägerin beim Kochen

Das eigentliche Festival besteht nämlich hauptsächlich daraus Freunde, Familie, Nachbarn und symbolisch auch die verstorbenen Vorfahren mit tausend und einer Köstlichkeit auf Bananenblättern zu verwöhnen. Um mal einen kleinen Einblick zu geben; da wären drei verschiedene Gemüsecurrys, Jogurthreis, Gewüzreis, Paisa (eine Art Glasnudeln in Milch aufgekocht mit Gewürzen und viiiiiel Zucker, sowie Rosinen und Cashewnüssen), Gurkensalat (mit Kokos), verschiedene Arten Samba, „normaler Reis“, verschieden frittierte Leckereien (salzig, süß & scharf), Dosa (Art salziger Pfannkuchen aus Reismehl), Babybananen, Kokosnusstaschen (unser Favorit!!!!!!) und wenn man dann noch Hunger hat, gibt es natürlich von allem Nachschlag so lange bis der Bauch platzt.


Das Essen für die Vorfahren steht während des ganzen Festivals in der Küche

Bei diesem Fest versammelt sich die ganze Familie im Haus der Eltern, um die Gäste zu bedienen. Mona meinte, dass sie dieses Jahr „nur“ 50 Bekannte eingeladen haben und das relativ wenig sei. Insgesamt ist der Festivalzeitraum eine Woche (uns wurde aber auch von jemand anders gesagt, dass es zwei Wochen geht, feste Angaben gibt es in Indien generell nicht) und die Familie wählt ihr Datum für das Festessen. Mit zum Platzen vollen Bauch und einem Kopf, der sich vom vielen Spielen und Reden drehte, fielen wir nachts total müde im Haus von Monas Bruder ins Bett.


Essen (ja es war schon etwas später..:-) )

ein bisschen Bewegung auf dem Dach zur Verdauung (Playtime die Zweite)

Wir hatten am nächsten Tag dann einen etwas ungewöhnlichen Wecker, nämlich zwei Mädels (Teju und ihre Cousine), die begeistert auf unserem Bett rumhüpften und am liebsten unsere MP3-Player entführt hätten. Der geplante Ausflug auf die familieneigene Kokosplantage wurde ganz indisch auf unbestimmte Zeit verschoben ;-) aber dafür verbrachten wir einen angenehmen Vormittag bei Monas Schwester, die einige Häuserblocks weiterwohnt und uns mit einem prima Frühstück beglückte


jeder will auf's Foto.. :-)


Playtime die Zehnte (??) ;-)

Abschluss statteten wir dann noch einmal Monas Eltern einen Besuch ab und jeder war schockiert, dass wir nach dem Essen vom Tag davor, einem Frühstück um 11 nicht schon wieder um 2 Uhr Mittag essen wollten. Man erkennt also schon eine Leidenschaft der Inder: ESSEN.
Der kleine Ausflug in das indische Familienleben war eine sehr interessante Erfahrung, die wir gerne wiederholen würden. Dennoch wurde uns bewusst, dass wir froh sind nicht in einer Gastfamilie zu leben, da die es gewohnt sind jede Minute ihres Lebens miteinander zu verbringen, was wir von zuhause nicht gewohnt sind.




bei Monas Eltern

Wir haben keine Zweifel, dass dies nicht der letzte Besuch bei Monas Familie war, denn wir wurden schon für diverse Gelegenheiten wieder eingeladen. Monas Mama war sogar enttäuscht, dass wir nur eine Nacht blieben und hierbei sei erwähnt, dass Monas Familie nur 10 Fahrminuten vom Hostel entfernt wohnt. Inder laden aber nicht nur gern andere, sondern auch sich selbst ein. Monas Bruder hat nicht gerade beiläufig drei Mal „angedeutet“, dass er gerne zu unseren Hochzeiten nach Deutschland eingeladen sein würde, auf seiner Hochzeit seien schließlich auch 4000 (!!!!) Gäste gewesen. Er war dann doch relativ enttäuscht als er erfuhr, dass wir nicht planen in naher Zukunft zu heiraten. :-)



Diesen Mittwoch fand dann ein weiterer Ausflug bzw. so genannter „field visit“ statt, bei dem wir nähere Informationen zu der Arbeit der NGO im ländlichen Gebiet bekamen.


Los ging’s um 9.30 Uhr –dachten wir …. Zugegebenermaßen waren wir genau 4 Minuten zu spät und hatten schon ein schlechtes Gewissen, völlig umsonst, wie sich herausstellen sollte, denn von den anderen war noch niemand da. Wir haben uns also auf die Treppe gesetzt und gewartet… und gewartet.. und gewartet.. irgendwann kam dann der Direktor, so um 10.00 Uhr und meinte „Sorry, da ist gerade ein Mann aus dem Dorf da, der sich die Kuh (es gibt hier nämlich eine Hostelkuh, die bald ein Kälbchen bekommen wird) anschauen möchte, es dauert noch einen kurzen Moment“, also warteten wir.. und warteten.. und warteten. Irgendwann beschlossen wir, so gegen 10.15 Uhr, in der Dinning Hall weiterzuwarten bei einer Tasse Tee. Aus der Tasse Tee wurde leider nichts (kein Zucker! Und in Indien trinkt man ja auf GAR KEINEN Fall eine Tasse Tee ohne Zucker! Das ist wie Tee ohne Tee!), aber das mit dem Warten klappte weiterhin ganz gut. Wir warteten und warteten… Schließlich zogen wir wieder zurück auf die Treppe, um Anwesenheit und vor allem Bereitschaft zu zeigen, wie naiv kleine deutsche Volunteers doch manchmal sein können, als ob sich dadurch irgendjemand stressen lässt, also…. Ihr werdet’s kaum glauben… wir warteten weiter. :-)Als wir gerade die Entscheidung gefällt hatten uns Bücher nach unten zu holen um unsere Wartezeit etwas sinnvoll zu verbringen, brach dann plötzlich der Sturm aus. „We are quite late!!!!“ begleitet von panischen Blicken auf die Uhr und einen lebensgefährlichen Sprung in den Jeep unseres Direktors ging es dann unglaublicherweise tatsächlich kurz nach 11 Uhr (nur zur Erinnerung: geplante Abfahrtszeit war 9.30 Uhr) los. „We are supposed to be there by now, they are already waiting“ war der erste Satz im Auto, gefolgt von der Erklärung, dass die Fahrtzeit jetzt nur noch 1,5 Stunden dauern würde. ^^ Schon einmal ein kleines Fazit vorweg, das Warten hat sich für uns auf jeden Fall gelohnt.



Das Dorf in das wir fuhren heißt Kadnur (5000 Einwohner) und liegt etwa in der Mitte der Strecke zwischen Hassan und Mysore. Im Dorf wirkt Prachodana in verschiedenen Bereichen. Zum einen besuchten wir eine kleine Nähschule, in der junge Frauen aus dem Dorf eine Ausbildung im Umgang mit Nähmaschinen aber auch das Sticken von Hand. Die Mädchen im Alter zwischen 16 und 23 Jahren haben uns Bücher mit von ihnen entworfenen Mustern und bereits gefertigten Arbeiten gezeigt. Großer Stolz des Direktors und der Nählehrerin ist eine elektronische Nähmaschine, die erst vor kurzem erworben wurde.







Weiter ging es zu einem kleinen landwirtschaftlichen Betrieb, in dem wir uns eine Kuh ansahen, die mit Hilfe von Prachodana finanziert werden konnte und so der Familie eine Einnahmequelle sichert.




Nächste Station war das Office von Prachodana in Kanur in dem Computerkurse für Jugendliche stattfinden. Nach dem Absolvieren eines solchen Kurses bekommen die Teilnehmer ein Zertifikat, das ihnen auf ihrer beruflichen Laufbahn weiterhelfen soll. Uns beeindruckten die Modernität der Computer (mit Flachbildschirmen) und die sorgfältige Buchführung über die Schüler. Hier tranken wir dann unseren Tee Nummer 1.

Die Tailoringlehrerin und einer der "Child Organizers"

Es folgte der anstrengendste Teil dieses Tages; Prachodana unterstützt zudem die Landbevölkerung bei der Kultivierung ihrer Felder, durch das Anlegen von Bewässerungssystemen, die wir bei strahlendem Sonnenschein in einer wunderschönen Gegend ca. zwei Stunden begutachteten.





ein Mangobaum (wir freuen uns schon total Mangos zu ernten)

Wie ein Geschenk des Himmels waren nach dieser Berg- und Talwanderung die „tender coconuts“ frisch von der Palme, die schmeckten uns genauso gut wie auf unserem letzten field visit – das darf gerne Tradition werden ;-).





Bei der Familie, der wir diese Erfrischung verdankten stand auch unser nächstes Anschauungsobjekt; ein Toilettenhäuschen. Ja, ihr habt richtig gelesen. Prachodana hat sich auch dem Aufbau von Sanitäranlagen gewidmet. Das Besondere an diesen Plumsklos ist, dass es verboten ist, Wasser zu benutzen. Stattdessen verwendet man ein Gemisch aus Asche und Kalk, das dann, nachdem man den „Rufen der Natur“ gefolgt ist, die Ausscheidung zu biologischem Dünger umwandelt. So schlägt man zwei Fliegen mit einer Klappe, zum einen fördert man das Hygienebewusstsein und dessen Umsetzung und zum anderen wird garantiert giftfreier Dünger produziert. Wir sind beeindruckt wie alltagsnah Prachodana sich hier in Kanur einsetzt und der Bevölkerung wirklich gezielt hilft.


Mittlerweile ziemlich hungrig ging es zu den Eltern eines Field Workers, wo uns ein zwar einfaches aber Leckeres Lunch aufgetischt wurde. Natürlich aßen wir mal wieder „viiiel zu wenig“ und fühlten uns hinterher trotzdem angenehm satt.

unser Gastgeber

die Kälbchen des Hauses


Doch das war noch nicht alles. Gestärkt ging es weiter zum Zuhause eines der Hostelmädchen, sie stammt aus einem kleinen Dorf, wo sie mit ihren Eltern und ihrer Schwester in einem kleinen Häuschen lebt (wenn sie nicht im Hostel ist). Chaitra war zwar sehr eingeschüchtert durch den „hohen“ Besuch von Volunteers, Direktor und zwei Field Workern, zeigte uns aber dennoch ihr zuhause und lud uns auf Tee Nummer 2 ein.


Chaitra und Pooja in ihrem Dorf

der Direktor zuhause bei Chaitra

Tee Nummer 3 (und an Zucker mangelte es dieses Mal definitiv nicht ;-)) nahmen wir zehn Minuten später zu uns, als wir die Zentrale der Selbsthilfegruppe des Dorfs besuchten.

"Foreigners" sind eine Attraktion


Der Tag neigte sich langsam dem Ende zu und die beiden Volunteers hingen schläfrig in den Sitzen, doch plötzlich brach erneut Hektik aus. Zwei der Fieldworker müssen ganz ganz ganz ganz schnell auf den Busbahnhof nach Hassan (ca. 2 Autostunden entfernt) um zum Forefathers Festival in ihrem Dorf zu fahren. Also trat der Direktor kräftig auf’s Gaspedal und wir rumpelten über die abendlichen Straßen Richtung Hassan. Zu allem Unglück schloss sich dann auch noch die Bahnschranke direkt vor unserem Jeep, was ja eigentlich nicht schlimm ist, würde der Zug sofort kommen. Aber die Inder warten ja bekannterweise gerne, und so warteten wir und warteten wir.. uuuund äh warteten… irgendwie kam uns das bekannt vor…. Irgendwann brauste dann auch der Zug vorbei.. und wir warteten weiter.. „Hmm vielleicht kommt ja noch ein zweiter Zug oder der Bahnschrankenwärter macht ein kleines Nickerchen“. Aber schließlich ging es dann doch weiter (ohne dass ein zweiter Zug vorbei kam) und wir konnten die beiden Mitarbeiter am Busbahnhof absetzten. Uns fiel dabei übrigens auf wie hübsch Hassan bei Nacht sein kann, mit den vielen Lichtern und dem Getummel auf den Straßen.
Was für ein spannender und lehrreicher Tag!

Sooo das war’s erst einmal von uns. Wir werden uns bald mit neuen Abenteuern wieder melden (am Sonntag geht’s nach Mysore zum Dasara Festival und am Sonntag ist ein Ausflug mit den Kindern geplant – juhu).

Liebe Grüße aus Hassan!
Eure
Anju & Juli

6 Kommentare:

  1. Wow
    Schön viele Bilder und ein ausführlicher Bericht - so können wir auch dran teilnehmen - danke!

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  2. Kasse, das war toll etwas Inhaltliches aus eurem Leben zu erfahren. So können wir doch die Bedeutung eines "Family Stay" und eines "Field Visits" gut erkennen: erleben und lernen.Danke für diesen durchdachten und kleinteiligen Bericht!

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  3. Suuuper euer neuer Bericht !!!
    Immer ganz spannend was ihr in Indien alles
    erlebt, toll geschrieben und viele schöne Bilder, echt Klasse - vielen Dank !
    (So eine Kokusnuss würde ich auch mal gerne probieren)

    P.S.: Auch von mir alles Liebe und Gute zum Geburtstag an den Papa

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  4. spannend spannend spannend ich hab auch diesen Eintrag nahezu verschlungen...freu mich schon auf den nächsten...einfach toll mit den Bildern...

    weiter so liebe grüße
    Bine

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  5. uiuiui, totaaal schoen euer eintrag, macht richtig spass den zu lesen!
    aber bald besucht ihr uns ja, dann sehen wir uns wieder und wir koennen erzaehlen!!! =)

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  6. Eure liebevolle Darstellung und Beobachtungsweise
    zeigen, dass Ihr am richtigen Ort seid - es ist eine Freude zu lesen.

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