Donnerstag, 17. Februar 2011

Kuschelelefanten, Rotkäppchen und Prachodana




Erst einmal eine frustrierende Nachricht am Anfang: so wie es aussieht werden wir euch in nächster Zeit nicht mehr mit schönen Bildern von unserer Indienzeit versorgen können. (das Bild ist von Anfang Januar und wir hatten es noch auf unserem PC) Die USB-Anschlüsse unseres Laptops haben auf die letzten Meter den Geist aufgegeben bzw. beschädigen die Bilder unserer Speicherkarten, was wir nicht mehr riskieren wollen. Wer also Bilder sehen möchte, muss uns besuchen wenn wir ab April/Mai wieder daheim sind :-).
So nun aber zum eigentlichen Blogeintrag; in den letzten zwei Wochen war so einiges los. Inspiriert von Katja und Charlotte (DANKE!) beschlossen wir mit den Kindern ein kleines Abschluss-Bastelprojekt zu machen. Bei NMCT führten uns die Mädels ganz stolz ihre selbst gebastelten Kuscheltiere vor – ganz simpel aus Baumwollstoff gefüllt mit Watte. Das wäre doch auch etwas für unsere Kids, dachten wir uns. Gedacht getan! Wir besorgten 13 m bunten Stoff (gekauft in unserem Stamm-Stoff-Laden, in dem wir für unseren Schneiderunterricht immer wieder Material einkaufen), große Nadeln, Wolle und Riesenrollen Watte; kurzum unser KKS-Materialgeld neigt sich langsam dem Ende zu. Mit Katharina und Marie nähten wir das erste Probetier und mehr per Zufall entstand dabei ein süßer kleiner Elefant. Passender geht es für indische Kinder ja kaum ;-). Die Kinder waren sofort begeistert von der Bastelidee und so hat Prachodana nun einen sehr bunten Elefantenzoo.
Dies ist nicht die einzige Nähaktion, die sich in letzter Zeit entwickelt hat; wir haben angefangen die Kleider der Kids zu reparieren. Die Kinder haben wirklich genaue Vorstellungen davon wie ihre Kleider aussehen sollen, aber letztlich sind sie auch mit etwas krummen Nähten zufrieden :-). Mittlerweile ist es normal, dass die Kids nicht nur mit der Erwartung einen Basketball ausleihen zu können zur Spieleausleihe kommen, sondern auch ihre Arme voller Kleider haben. Es ist schön die Kinder mit so etwas begeistern zu können.
Des Weiteren leben wir mit den Kids gerade unsere Märchenleidenschaft aus :-). Wir haben von daheim ein total tolles Märchenbuch bekommen, in dem die Geschichten immer auf einer Bilddoppelseite zusammengefasst sind. Diese Seiten haben wir kopiert und sind gerade dabei sie mit den Kindern zu bemalen. Aus den Ergebnissen soll eine Märchenwand in der Meetinghall entstehen. Natürlich haben wir die Geschichten den Kindern größtenteils schon erzählt. Wir sind uns allerdings nicht so ganz sicher, wie viel sie davon wirklich verstehen, zum Glück gibt es ja viele Bilder. Um es ihnen ein bisschen zu erleichtern ändern wir ein klassisch Grimmsches Märchen auch gerne einmal ab :-). So wurde das Brüderchen in „Brüderlein und Schwesterlein“ statt zum Reh zur Ziege. Wir mussten uns bei dem Gedanken das Lachen verkneifen, dass die königliche Gesellschaft eine indische Ziege durch den ganzen Märchenwald jagte. Besonders großes Aufsehen erregte auch die Großmutter in „Little Red Riding Hood“ (Originalübersetzung für „Rotkäppchen“), die lebendig aus dem Bauch des Wolfes kam.
Weiteres Highlight der letzten Tage war der Besuch von meinen/Anju’s Eltern. Der Direktor ermöglichte es uns gemeinsam mit ihnen das Projektgebiet der Karl Kübel Stiftung zu besichtigen. Wir waren wieder einmal beeindruckt von der kleinschrittigen „field work“, die Prachodana in diesem Gebiet initiiert. Außerdem kamen wir in den Genuss von frischem Honig aus der Wabe und ebenso frischer Kokosnuss von der Palme. Ein besseres Mittagessen kann man sich nicht wünschen.
Der vergangene Fieldvisit hat uns dazu angeregt einmal genauer auf die Arbeit von Prachodana und die Struktur der Organisation einzugehen. In den vergangenen fünf Monaten haben wir einiges über ihre Arbeit gelernt und einen guten Einblick darin bekommen, was Entwicklungsarbeit bedeuten kann. Hier nun also eine „kleine“ Zusammenfassung.

„Prachodana“ wurde 1994 von C. C. Poulouse, unserem Direktor, gegründet. Sie ist eine soziale, profitfreie Organisation für die Landbevölkerung. Momentan agiert sie in sieben Regionen, fünf davon sind im Hassandistrikt.
Ziel: Unterstützung der armen, und sehr armen Menschen (grassroot) mit besonderem Fokus auf Kinder, Jugendliche und Frauen in Dörfern (ohne Berücksichtigung von Religion und Kaste)

In der Entwicklungsarbeit gelten die Frauen einer Familie als wichtiger Ansatzpunkt zur Verbesserung der gesamten sozialen Strukturen. Um ihre Rechte zu stärken und ein eigene Einkommen zu ermöglichen fördern viele NGOs (Nicht-Regierungs-Organisationen) die Bildung von so genannten Selbsthilfegruppen (engl: Self-Help-Groups --> SHG). So auch Prachodana. Eine SHG besteht aus 15-30 Frauen, die gemeinsam Geld sparen um sich damit gegenseitig zu helfen. Das Ganze funktioniert so, dass jedes Mitglied 10/20 Rs pro Woche in die gemeinsame Kasse einzahlt. Dadurch werden die Frauen als Gruppe finanziell unabhängiger und müssen kein Geld von Kredithaien annehmen. Außerdem entsteht eine soziale Gemeinschaft in der die Frauen sich über alltägliche Probleme austauschen können sowie gemeinsam gegen Diskriminierung vorgehen. Sie führen ein „Mirrow book“ in dem alle Aktionen festgehalten werden. Außerdem gewährt es Transparenz gegenüber der „okkuta“. Eine „okkuta“ ist eine Vereinigung bestehend aus 20-25 SHGs zu deren monatlichen Treffen jede SHG ein Mitglied sendet. Es finden regelmäßig Wahlen statt um die ehrenamtlichen Vorstandsämter zu besetzen. „Okkutas“ können Kredite bei einer Bank aufnehmen und leiten das Geld an die einzelnen SHGs weiter, das Geld wir später von den Mitgliedern gemeinsam zurückgezahlt. Prachodana ist in diesem Bereich bei der Organisation von verschiedenen Trainings (z.B. Buchhaltung, Finanztraining, Gesundheitstraining, öffentliches Recht) aktiv, prüft die „mirrow books“ nach und leistet Überzeugungsarbeit in den Dörfern. Durch die Betreuung der SHGs hat Prachodana Einblick in das Familienleben der durchschnittlichen Landbevölkerung, da aus jeder Familie normalerweise mindestens eine Frau Mitglied in einer SHG ist. Momentan betreut Prachodana 22 „okkutas“, wovon nur noch fünf Hilfe beanspruchen, die restlichen sind mittlerweile unabhängig.
Im Moment ist der Haupteinsatzbereich in und um die Dörfer von Kadnur. Dieses Projektgebiet umfasst insgesamt elf kleine Dörfer mit 852 Frauen in 55 SHGs. Durch die SHGs wurde einigen Frauen ermöglicht sich selbst einen Lebensunterhalt aufzubauen. Sie kauften sich beispielsweise eine Kuh (19.000 Rs), fünf Schafe (ein männliches und vier weibliche) (10.000 Rs) oder einen kleine Laden (22.000 Rs) --> 60Rs = 1€. Für die meisten Familie ist es etwas Besonderes eine Kuh zu besitzen, da sie die Familie mitversorgen kann. Da erkennt man noch einmal den Unterschied zwischen Deutschland und Indien – eine einzelne Kuh könnte bei uns niemals einer ganzen Familie Gewinn bringen.
Weiterhin ist Prachodana in der Gesundheitsförderung aktiv. So genannte „health volunteers“ arbeiten zusammen mit staatlichen Gesundheitshelfern. Sie machen Hausbesuche, befragen schwangere Frauen (interessante Nebeninfo: die Geburt in einem staatlichen Krankenhaus ist kostenlos, man bekommt danach eine einmalige Unterstützung von 750 Rs sowie diverse Babyartikel), schaffen Bewusstsein für eine gesunde Ernährung, verteilen Erste-Hilfe-Sets und werden von Prachodana einmal im Quartal weitergebildet.
Insgesamt leben 1400 Kinder im Projektgebiet. 99 Schulabbrecher haben in den letzten drei Jahren für verschiedene Zeiträume die Brückenschule besucht, in der wir momentan leben.
Für diesen Bereich der Arbeit sind die so genannten „Child Organizer“ zuständig. Ihre Aufgabe ist es Kinder zu motivieren in die Schule zu gehen, Eltern zu überzeugen und die Entwicklung der Familie bzgl. der Ausbildung der Kinder zu beobachten.
Ist die Schulbildung einmal abgeschlossen haben Jugendliche im Projektgebiet die Möglichkeit von Prachodana gezielt im Umgang mit Computern ausgebildet zu werden. Momentan besuchen 68 Schüler die organisationseigene Computerschule. Außerdem gibt es eine Nähschule in der im Moment 20 Schülerinnen nähen und sticken lernen.
Weiterhin werden die Dorfgemeinschaften durch den Bau von Ökolatrinen, das Errichten von Wassersystem auf den Feldern, die Anleitung zur Bienenzucht und zur richtigen Kompostierung unterstützt.

Die Basis des hier umgesetzten Entwicklungshilfekonzepts ist „Hilfe zur Selbsthilfe“. Die Landbevölkerung soll möglichst schnell unabhängig werden und einen besseren Lebensstandard erreichen.
Die Arbeit, die in den Dörfern geleistet wird ist für uns immer wieder beeindruckend und wir gewinnen den Eindruck, dass sie der örtlichen Bevölkerung wirklich weiterhilft.

Wir hoffen, dass ihr euch nun besser vorstellen könnt, wie Prachodana arbeitet. Für uns heißt es nun in den nächsten Tagen; die restlichen Kuscheltiere mit den Kids zu basteln, nähen und Märchen erzählen was das Zeug hält… und uns mental auf den Abschied vorzubereiten, der schon bald ansteht.

Ganz liebe Grüße! (dieses Mal ohne schönes Abschiedsbild.. :-()

Anju & Juli

3 Kommentare:

  1. =) Vielen Dank euch zwei war wie immer ein sehr schöner Eintrag und hab mich sehr gefreut mal wideder was von euch zu lesen...schade ist das wirklich mit den Bildern...aber gibt schlimmeres =)

    ganz liebe Grüße
    eure Bine

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  2. Hallo ihr zwei !
    Euer Bericht ist auch ohne Bilder sehr sehr interessant und die Idee die Kleider der Kinder zu "reparieren" finde ich echt klasse !!! Natürlich kann ich mir vorstellen, dass es den Kindern auch richtig Spaß macht Tiere zu basteln oder Bilder zu malen, der Raum in dem die Gemälde dann aufgehängt werden sieht bestimmt dann richtig märchenhaft aus !
    Schön ist auch, dass Anju´s Eltern jetzt in Indien sind - ich wünsche Euch noch recht viel Spaß in den letzten 2 Montaten !!!
    Liebe Grüße
    Heidi

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  3. prima infos und toll, dass ihr mit den kindern die elefanten macht und kleider repariert - freu mich schon, die bilder zu hause anzuschauen!
    weiterhin viel spaß!!!

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